Castle Gate Northern….das Abenteuer Ljungström Turbine

 

Per Zufall stiess ich auf ein Foto einer schwedischen Ljungströmturbinenlokomotive.

Diese merkwürdig skurrile Maschine war genau das was ich brauchte um endlich eine Lok verwerten zu können die seit Jahrzehnten  in einer Schachtel lag. Die Big Boy Spezialisten unter euch werden unschwer Elemente einer Rivarossi 4-8-8-4 erkennen. Ich kaufte ihn vor dreissig Jahren, passte die Spurkränze voller Freude auf Code 70 Gleis an und das Sch..ding entgleiste andauernd! Die Antriebsachsen waren nicht gefedert und die 0,5 mm Spurkränze vertragen ohne Federn keine Unebenheiten. Zudem waren die Langsamfahreigenschaften unter jedem Hund. Aus der Traum!! Als Vitrinenmodell ärgerte er mich nur.
So kam es zum (lustvollen) zersägen dieser „Krücke“!

Die nicht Eisenbahnfans werden es mir hoffentlich verzeihen wenn ich für einmal gar heftig ins Fachsimpeln gerate! Um ein solches Modell einigermassen seriös zu gestalten (technisch sollte es in Wirklichkeit funktionieren) kommt man um ein intensives Forschen nicht herum.

Zuerst aber möchte ich den Bau des Modells dokumentieren.

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Die erste Arbeit, das Zuschneiden der feinen Polystrolplatten für das Führerhaus.

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Hier ist der Kesselteil vom Bog Boy deutlich zu sehen.  Die Dampfleitung zur Turbine im Tender wird zugleich als Stromverbindung benützt (zusätzliche Stromaufnahme am Kesselfahrzeug).

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Das Kesselfahrzeug im Rohbau. Ausser dem Öltank links und dem verlängerten Rahmen stammen alle schwarzen Teile vom zersägten Big Boy ab.

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Einige Schleudergussteile aus Messing sind auch schon montiert. Die Lamellen der Verbrennungsluft-Zufuhr und die Saugzugturbine  angebracht (wird später im Text erklärt).

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Hilfsmaschinen werden angebracht….

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Diese Bauweise nennt man scratch-built. Polystrol, Metall, Holz und andere Baustoffe werden verarbeitet. Wie viele Modellbauer habe ich eine Fächerkiste, wo die verschiedensten Teile zwischengelagert werden. Dort sucht man dann nach passenden Teilen.

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Polystrol, Holz und Messing…… eben die typische Scratchbauweise…..

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Zusätzliche Strohmaufnahme Marke Eigenbau….

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Das „Tenderfahrzeug“ mit Turbine und Kondensationseinrichtung im Rohbau… Hier sind Teile der Seitenwände einer Athearn U28  der Burlington eingesetzt! Die Antriebsräder stammen vom zersägten Riva-Big Boy. Der Rahmen musste zusammengestzt werden.

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Der Unterbau wurde aus Messing gebaut.  Zusätzlich habe ich passende Gewichte in einer Gibskartonform (Fermacell) aus Zinn gegossen um genügend Gewicht zu erhalten. Der erste Boden war noch uns Kunststoff aufgebaut und war viel zu leicht….also alles noch einmal neu gebaut!

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…hier das missratene Teil… bei Umbauten passiert das immer wieder…..

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…die erste Stellprobe dieses eigenartigen Vehikels….

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…jede Menge Leitungen gibt es zu Verlegen…..

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…der Haftgrund ist aufgetragen…..

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Der gewaltig-dicke Kessel der fertiggestellten Liungström-Turbinenlok mit amerikanischer Technik…es hat sie so nie gegeben…aber es hätte sein können!

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Die linke und rechte Seite.

Nun werde ich versuchen, dieses Ljungström System einer Energie effizienten Dampflok zu erklären:

Es ist eigentlich erstaunlich, dass der Kondenstender in den USA nicht zur Anwendung gelangt ist, da die Wasserqualität doch in einigen Gegenden sehr zu Wünschen übrig lässt. Sie haben sich, was wiederum nicht erstaunt, für die Chemische Behandlung des Speisewassers entschieden. Das Umweltbewusstsein war früher auch nicht besser als heute. Ansonsten gehört ja die Dampfloktechnik in den USA zum Besten was je auf diesem Gebiet geleistet wurde! Darum gehören ich wohl auch zu den absoluten Dampffanatikern von gigantischen Loks mit 8000PS und 225Km/h schnellen Strohmlinienloks (inoffizieller Weltrekord der S1 der Pennsylvania) !!!

Teil 1:
Auf dem vorlaufenden Fahrzeug ist der Kessel mit dem Öltank aufgebaut. Interessant ist der Vorwärmer für die Verbrennungsluft. Die Rauchkammer ist im vordersten Teil unterteilt. Im oberen Teil werden die Rauchgase vom Turbinengetriebenen Saugzugventilator durch den von Liungström für die Industrie entwickelten Regeneratifvorwärmer gezogen und dann im Kamin ausgestossen. Dieser Vorwärmer ist ein langsam rotierender Zylinder, der radial eingesetzte rostfreie Bleche besitzt. Die Rauchgase erwärmen diese Lamellen. Dann dreht sich der Zylinder und die heissen Lamellen gelangen in den unteren Teil und geben die Wärme an die Verbrennungsluft ab. Die ca. auf 300° erhitzte Luft wird mit einem Kanal der Feuerbüchse zugeführt. Mit einer Klappe im Kanal und einem regelbaren Lufteinlauf an der Front kann die Luftzufuhr geregelt werden. Die Luftdrosselung ist auch notwendig um ein Herausschlagen des Feuers aus der Feuertüre zu verhindern wenn sie geöffnet wird.

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Beginnen wir den Rundgang hier: Die Front mit Saugzugturbine und  den Regellamellen  der Verbrennungsluft-Zufuhr.

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Vor dem Führerhaus oben am Kessel der Stromgenerator.

 

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Vorne ist der Kasten mit dem Speisewasservorwärmer und die daran angeschlossene Heiss- Speisewasserpumpe zu sehen.

Teil 2:
Vielleicht sollte ich zuerst etwas über das grundsätzliche System der Liungström Lok sagen. Die Grundidee ist ja, ein deutlich besserer Wirkungsgrad zu erzielen. Zugleich sollte der Unterhalt (z. B. Kesselauswaschung) der doch komplizierteren Lok die Vorteile der Einsparung des Brennstoffes und der Aufbereitung und Bereitstellung des Wassers nicht wieder auffressen. Die vierte Lok, die für die Schwedischen Staatsbahnen gebaut wurde, war 13 Jahre im strengen Dienst und bewährte sich gut. Aber sie wurden von gut geschultem Personal bedient und gewartet. Die Lok für Argentinien fuhr nur drei Jahre, dann kam schon das aus. Sie verlotterte einfach. Der Kondenstender aber wurde dort eingeführt und u.a. von Henschel bei der nächsten Lokserie geliefert. Die Schweden hätten die Lok bestimmt nach Beschafft, wenn die Elektrifizierung nicht zügig vorangeschritten wäre.

Die Gebrüder Ljungström waren geniale Konstrukteure. Ihre Konstruktion war nach rein wirtschaftlichen Prinzipien aufgebaut. Einen besseren Wirkungsgrad erreicht man, wenn möglichst viel Wärme im ganzen System genutzt werden kann. Mehr Energie kann man auch aus dem grösseren Druckgefälle herausholen, das heisst, der Abdampf wird im Kondensator bis in ein Vaccum hinein entspannt.
Beim Verbrennungsprozess und der Verdampfung des Wassers wird, wie im Teil 1 erwähnt, die Verbrennungsluft stark erhitzt . Der Kessel ist von üblicher Bauweise. Ein grosser Vorteil der Turbine ist die Möglichkeit, den Dampf bis auf 650° Überhitzen zu können da die Lager der Welle mit Sperrdampf vom Turbinenrad her abgedichtet werden. Bei der herkömmlichen Kolbenmaschine muss dem Dampf Öl beigemischt werden und die Obergrenze für eine sichere Schmierung ist 400°. Der Abdampf der Turbine ist somit vollkommen Ölfrei und man benötigt keinen Ölabscheider um ein Verölen des Wasserkreiskaufs und ein Aufschäumen des Wassers zu verhindern. Ein Nachteil der Turbine ist der schlechte Wirkungsgrad beim Anfahren. Lange Durchläufe im idealen Bereich sind also Voraussetzung für einen Wirtschaftlichen Betrieb. Das Anfahren selbst geschieht weich und ohne Rucken, die Räder neigen viel weniger zum Durchdrehen, so dass mit schweren Zügen sehr gut angefahren werden kann.

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Hinter dem Führerhaus ist der grosse Heizölbunker. Sein Fassungsvermögen sollte für knapp 1000km reichen!

Teil 3
Da die Hauptturbine samt Getriebe auf dem Kondensfahrzeug aufgebaut wird, muss der Heissdampf über eine flexible Verbindung geführt werden. Genau über dem Drehbolzen war desthalb ein Kugelgelenk eingebaut. Das Getriebe konnte mit einer Schraubenspindel im Führerstand rein mechanisch auf Rückwärtsfahrt gestellt werden. Bei meiner Lok, die ja um einiges grösser ist, würde sicher einiges hydraulisch bewegt werden, so auch die fünf Düsengruppen mit einem Drehschieber, die die Turbine sektionsweise zur Regelung mit Dampf versorgen und das Wendegetriebe.  Meine Lok wäre etwa um 1942 herum gebaut worden. Die Hilfsantriebe waren zu dieser Zeit ausgereift, bewegliche Leitungen konnten gut dicht gehalten werden.
Bevor ich versuche, die Hilfseinrichtungen zu erklären, noch etwas zum Aufbau des Kondensfahrzeuges. Bei der Ljungströmlok ist das Getriebe unmittelbar hinter dem Kesselfahrzeug, bei mir in der Mitte, was bei meiner Konstruktion eine Teilung des Kondensators zur Folge hat. Der Kondensator bestand aus einem zur Hälfte mit Wasser gefüllten Kessel. Von diesem gingen Rohrverbindungen nach beiden Seiten zu den Kühlflächen. Aussen wurden sie vom Fahrtwind bestrichen und innen durch Deckenventilatoren, welche die Luft von unten her ansaugten und zum Dach hinaus leiteten. Dank der relativ grossen Wassermenge konnte für einige Zeit (Volllast) eine grosse Menge Dampf niedergeschlagen werden und ein tragbares Vaccum gehalten werden.

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Teil 4:
Wir haben es also hier mit einem geschlossenen Wasserkreislauf zu tun. Nur 1-2% des Wassers gingen durch Undichtigkeiten verloren. So konnten hunderte von Kilometern gefahren werden und es setzte sich nur wenig Kesselstein an.
Zum im Kondensator ein Vaccum zu erzeugen, verwendete man einen so genannten Ejektor. Er funktioniert ähnlich wie der Injektor für die Kesselspeisung. Nur wird hier nicht Wasser mitgerissen, sondern Luft. Das ist genau ein gleiches Ding, wie man zur Vaccumbremse benötigt.
Das Wasser aus dem Kondensatorkessel wurde mit einer Kondensatorpumpe abgesaugt und zur Speisewasserpumpe gefördert. Diese Pumpe drückte nun das Speisewasser mit hohem Druck durch zwei Vorwärmer, und es war nun ca. 150° heiss, wenn es durch das Rückschlagventil in den Kessel gelangte. Die Vorwärmer, eigentlich Wärmeaustauscher, wurden durch den Abdampf der Saugzugturbine und den Abdampf der Speisewasserpumpe und Kondensatorpumpe beheizt. Auch hier wird die Wärme möglichst gut genutzt und spart Energie.
Eine weitere, kleine Turbine trieb die grossen Kondensatorlüfter und eine Pumpe im Kondensatorkessel an, welche eine Wasserberieselungseinrichtung innerhalb dieses Kessels in Betrieb setzte. Das ergab zusätzliche Kühlfläche um den Abdampf zu kondensieren.
Der Abdampf der drei Turbinen und dem Ejektor wurde direkt in den Kondensator geleitet. Der Abdampf von Luftpumpe (Bremssystem), Kondensator- und Speisepumpe musste durch einen Ölabscheider geleitet werden bevor er ebenfalls in den Kondensator gelangte. Der Kessel durfte nicht verölt werden.

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Die isolierte Hauptdampfleitung zur Turbine.

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Cross-compound Pumpen für die Bremsluft.

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Die Verbrennungsluftregelung mittels  verstellbaren „Lamellenblechen“.

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„Ball-joint“ Verbindung der Turbinendampfleitung.

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Ölbunker und Bremsluftbehälter.

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Auch hier sind Frischdampfleitungen und Sperrhähne  isoliert angebracht.

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Die Ventilatoren  die die Luft von unten ansaugen so dass die Innenflächen der Kondesatorelemente an den Seitenwänden beidseitig gekühlt werden. Sie werden durch eine kleine Hilfsturbine angetrieben.

Gerne beantworte ich Fragen-mailt mir!

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